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Bundesfinanzhof legt Berechnungsgrundlagen fest – Doppelte Besteuerung von Renten im Fokus

Stand:
Thematik: Steuern und Rechnungswesen

Der bereits im Jahr 2005 eingeleitete Systemwechsel hin zur vollen Einkommensteuerpflicht von Renten und die für einen sehr langen Übergangszeitraum von 35 Jahren eingeführte Anpassungssystematik sind grundsätzlich verfassungsgemäß. Allerdings kann es im Einzelfall zu einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung der Altersbezüge kommen, urteilte der Bundesfinanzhof (BFH) im Mai 2021. Die Richter legten erstmals Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung einer möglichen doppelten Besteuerung fest, wiesen die Klagen zweier Steuerpflichtiger aber zurück.

 

Hintergrund der Debatte

Das Problem einer möglichen Doppelbesteuerung von Renten stellt sich seit 2005. Bis dahin unterlagen Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus berufsständischen Versorgungswerken und der Alterssicherung der Landwirte nur mit einem geringen Anteil, dem sogenannten Ertragsanteil, der Einkommensteuer. Wer in die Rentenkasse eingezahlt hatte, hatte sein Einkommen und damit auch seinen Rentenbeitrag bereits versteuert. Rentner, die keine weiteren steuerpflichtigen Einkünfte hatten, zahlten in der Praxis daher nur sehr selten Einkommensteuer – anders als ehemalige Beamte und Empfänger von Betriebspensionen, die ihre Altersbezüge schon immer in voller Höhe versteuern mussten.

Um diese Ungleichheit zu beseitigen, schuf der Gesetzgeber das Alterseinkünftegesetz. Danach werden seit 2005 sowohl Renten als auch Pensionen grundsätzlich im jeweiligen Jahr der Rentenzahlung in voller Höhe der Einkommensteuer unterworfen. Im Gegenzug werden die während der aktiven Berufstätigkeit in die Rentenkasse eingezahlten Rentenversicherungsbeiträge einkommensteuerlich freigestellt. Weil damals umfangreiche und komplizierte Nachberechnungen vermieden werden sollten, gibt es eine lange Übergangsphase: Seit 2005 sinkt jedes Jahr der Teil des Rentenbeitrags, der versteuert werden muss, bis dieser ab 2025 komplett steuerfrei ist. Im Gegenzug steigt seit 2005 Jahr für Jahr der steuerpflichtige Teil der Rente. Ab 2040 sind die Renten voll steuerpflichtig.

 

Urteile mit richtungsweisender Argumentation

Der BFH entschied nicht über die Systematik der Umstellung an sich, sondern hatte zwei Einzelfälle zu beurteilen, in denen die Kläger sich durch die Versteuerung eines Teils ihrer Rente, die aus Beiträgen gespeist werden, die seinerzeit ebenfalls versteuert wurden, steuerlich doppelt belastet sahen. Nach Prüfung hat der BFH zwar beide Klagen abgewiesen, über die verhandelten Einzelfälle hinaus ist die Argumentation des BFH aber allgemein richtungsweisend.

 

Vergleichs- und Prognoserechnung erforderlich

Eine unzulässige doppelte Besteuerung liegt vor, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse kleiner ist als die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge. Um das zu überprüfen, ist dem Gericht zufolge eine Vergleichs- und Prognoserechnung zum Tag des Renteneintritts durchzuführen. Dabei ist die jährliche Rentenzahlung mit der statistischen Lebenserwartung zu multiplizieren. Veränderungen des Preisniveaus bis zum Renteneintritt spielen keine Rolle, es gilt das Nominalwertprinzip.

 

Grundfreibetrag kein steuerfreier Rententeil

Zum steuerfreien Rententeil zählen nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus der Hinterbliebenenrente. Nicht in die Berechnung einfließen darf hingegen unter anderem der steuerliche Grundfreibetrag von aktuell 9.744 Euro. In dieser Abgrenzung liegt eine besondere Brisanz, denn die Finanzverwaltung hatte den Grundfreibetrag bisher stets berücksichtigt. Somit wird für viele Steuerpflichtige der steuerfreie Rentenbetrag geringer ausfallen als vom Fiskus bisher angenommen.

 

Folgen für künftige Rentnergeneration

Eine mögliche Doppelbesteuerung zeichnet sich nach der vom BFH vorgegebenen Berechnungsmethode insbesondere für zukünftige Rentner ab, für die der Rentenfreibetrag aufgrund der Übergangsregelung immer weiter abgeschmolzen wird, die aber in der Vergangenheit erhebliche Teile ihrer Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet haben. Nach Einschätzung des BFH könnten Männer häufiger von einer Doppelbesteuerung betroffen sein als Frauen, weil ihre statistische Lebenserwartung kürzer ist und sie im Alter damit weniger Rente steuerfrei beziehen können. Außerdem könnten Unverheiratete eher als Verheiratete betroffen sein sowie Selbständige häufiger als Arbeitnehmer. Erwartet wird, dass der Gesetzgeber auf das BFH-Urteil reagieren wird und die Übergangsregelung anpasst – vorraussichtlich allerdings erst in der nächsten Legislaturperiode.

 

Private Renten nicht betroffen

Klargestellt hat der BFH auch, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann. Entsprechend müssen diese Beitragszahlungen in der Ansparphase auch nicht steuerfrei gestellt werden.

 

Bildnachweis: ©machdochab / photocase.de

 

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